GESCHICHTEN VON KRIEG UND FRIEDEN. Carmen González Borrás
Unter den spanischen Künstlerlnnen die vor allem Keramik als Material verwenden, ragt Daniel Caxigueiro besonders heraus. Stark von den Besonderheiten seines geografischen Umfelds gepragte, beschaftigen den Galizier Probleme der Gegenwart nicht nur aus künstlerischer, sondern auch aus 50zialer Sicht.
Caxigueiro (geb. 1955 in Lugo) kommt mit der Keramik in Berührung, als er einige Jahre in einer bekannten Fabrik in Sargadelos arbeitet: Durch deren Versuchsreihen mit Porzellan und die besondere Herausforderung der hohen Brenntemperaturen hat diese Fabrik Teil daran, dass sich die Arbeiten zahlreicher spanischer Keramikerlnnen in den 1980er Jahren wandeln. Daniel Caxigueiro hat die Gelegenheit, internationale KünstlerInnen kennenzulernen, die dort regelmaBig Projekte durchführen.
Danach entscheidet sich Caxigueiro, nach Madrid zu ziehen. Ein Stipendium (1984 1988) ermoglicht ihm die Arbeit bei dem Keramiker Alfonso D ‘Ors.Sein künstlerisches Interesse ist von der Stromung des Informels gepragt, wovon bereits die spanische Malerei beeinfIusst wird, was spater von einigen Keramikerlnnen weiterentwickelt werden sollte. Dieses Interesse ist deshalb logisch, weil die Keramik jetzt zunehmend in die Kunst integriert wird: Deren Fahigkeit, Eindrücke und beliebige Volumiña aufzunehmen sowie ein farbiges Ergebnis zu produzieren – der Malereí ebenso nahe wie der Bildhauereí -, macht den Ton zu einem expressiven Material, das eine wachsende Zahl von Künstlerlnnen in seinen Bann zieht.
Der Beziehung Caxigueiros zu anderen Kunstschaffenden in seiner Umgebung kommt eine spezielle Bedeutung zu. So erlangen in den 80er Jahren die Gemeinschafts-Ausstellungen, die in Lugo, Orense und Ribadeo organisiert werden, eine besondere Bedeutung. Es sind Ausstellungen, welche etwa die “Neuen-Generationen” und die.
“Zeitgenossischen galizischen Künstler” vereinen oder – wie mit der Schau “Galizisch-portugiesische Begegnungen” – die Beziehungen mit dem Nachbarland fordern.
Ende der 80er Jahre wendet sich Caxigueiro zunehmend von seinen expressionistischen Tendenzen ab Ulld lasst sich starker auf konzeptionelle Stromungen ein. 1988 realisiert er seine erste Installation “Tanz”, eine Serie von kreisformig ausgerichteten, rechteckigen Platten, die den Abdruck eines menschlichen FuBes zeigen. Von diesem Zeitpunkt, ja, von dieser Arbeit an, findet man in den Installationen Caxigueiros eine einzigartige erzahlerische Linie, der die eingesetzten Materialien untergeordnet werden. In der plastischen Weiterentwicklung des Künstlers ist dies ausschlaggebend: Die Erzahlung stützt das Werk und weist den Materialien ihre Rolle zu. In diesem Zusammenhang verwendet er – ohne irgendwelche Einschrankungen – Harze, Wachse, Industrieprodukte und alle Arten von Objekten, die dazu beitragen, seine Botschaft auszuschmücken. Seine Poesie beinhaltet anthropologische Elemente: Angefangen bei Nostalgien, Traditionen und Brauchen bis hin zu Okologie, Politik und Gesellschaft – all dies unterliegt im Lauf der Jahre unterschiedlichen Interpretationen und bleibt doch ein bestimmendes und herausragendes Merkmal seiner Kunst.
In den 90er Jahren führt ihn seine Beteiligung an Gemeinschafts-Ausstellungen auBerhalb Galiziens in ein professionelles Umfeld ein. Diese Aktivitaten verbindet er mit Einzelausstellungen, n_lich in den Galerien Bacelos in Vigo, Pardo Bazán in A Coruña, Clérigos in Lugo und bei Sargadelos. Von da an erlangen drei prinzipielle Elemente eine besondere Bedeutung in seinen Stücken: das “gefundene Objekt” als kreativer Ausgangspunkt, der Gebrauch der Fotografie und die serienbetonte Konzeption seiner Arbeit. 1m vergangenen Jahrhundert hatte man beim Gebrauch des “Ready-made” nicht nur ein besonderes Interesse daran, Objekte aus dem Zusammenhang zu reiBen, sondern man wollte auch eine Reaktion bei den Betrachtenden provozieren und auf diese Weise das eigentliche künstlerische Werk infrage stellen. <::axigueiro hingegen verwendet das "gefundene Objekt", indem er es in die erzahlerische Linie seínes Werks integriert und dessen asthetische Besonderheiten nutzt. Dadurch materialisieren die Fundstücke eine Idee in allegorischer Weise, was der Künstler wiederum zweidimensional anhand von Fotografien ausstellt. Das Objekt verwandelt er so in einen realen Bestandteil der betreffenden Arbeit, in eine tragende Saule innerhalb des erzahlerischen Konzeptes. Dieses hebt das Objekt selbst hervor und enthalt stets dramatische Elemente.
Wenn der Künstler Fotografie benutzt, geschieht dies in Kombination mit anderen Medien. Durch die Fotografien erhalten die Arbeiten den notwendigen realistischen Bezug, wodurch das für ihn natwendige Drama zurn Ausdruck karnrnt. In anderen Fallen schaffen die Bilder den perfekten Kontrapunkt im visuellen Spiel des Künstlers.
Zu den charakteristischsten Werken der 9Oem Jahre geharen die "Krieger" ("Guerreiros-). einzigartige Gebilde aus Tan, die an Bunker erinnern und deren unregelmaBige Offnungen das Geheimnisvalle betanen. In militarischer Formation angeordnet oder in nischenartigen Eisenfachern in Stellung gebradJt. setzen sie sich mit dem Thema Krieg auseinander. "Europa Terapia Puntuale" entsteht 1993 - 94 vor dem Hintergrund der Bildervon Toten im Bosnienkrieg. Caxigueiros Beschaftigung mit der schrecklichen Idee des Krieges fiihrt zu einer Anzahl von Arbeiten, die die Beweggründe des Künstlers enthalten: der leidende und sterbende Mensch und die Architektur. Die serienartige Verwendung der nGuerreiros" mindert dabei keineswegs die Vielfaltigkeit seiner Stücke, deren Elemente in horizontalen, vertikalen und auch in begehbaren Raumen angeordnet sind.
In "DerWald der Abwesenheit" (,,0 Bosque das ausencias"; 1996) setzt Caxigueiro die Keramik als gewahnliches Element ein und nutzt die Poesie als Ausgangspunkt für den Entwurf der plastischen Arbeit. Er integriert neue Elemente, wie Beleuchtung, Lampen und Kabelverbindungen, alsAusdrucksmittel und interveniert in offenen Raumen. Die Serie bildet Antlitze gespenstisch-magischen Aussehens nach, die sich auf dem Boden eines geschlossenen Raums befinden und künstlich illuminiert werden, oder sie stecken, auf Holzpfahlen verteilt, in einem Wald. In beiden Fallen wird der Diskurs mithilfe einer theatralischen Haltung geführt, was sich wiederum an der Regie von Kinofilmern orientiert. Es ist Caxigueiros Erzahllust, die ihn zu dieser Art von Bezügen führt und den roten Faden in seiner künstlerischen Entwicklung bildet. Dies gilt auch für die Dichtung, die seine Stücke begleitet, und für die von ihm ausgewahlten Titel, die tratz ihrer Offenheit zur Interpretatian der Arbeiten und ihrer Elemente anregen.
Die Serie "Geografien" (Xeografias) entsteht im Jahr 1998. Die Art und Weise, wie Caxigueiro arbeitet, kann mit folgendem Schema erklart werden: Idee -literarische Form - plastische Form - Intervention im Raum. Die Idee verwandelt sich also in Dichtung, die dann ein visuelles projekt nach sich zieht. Die Idee beruht auch bei "Geografien" auf _ózialen Nuancen und dreht sich um Unterdrücker und Unterdrückte: Für den Künstler gibt es geografische Zentren, wo bewaffnete Konflikte stattfinden und wo die Freiheit beschnitten wird.
"Die Sprache der Erinnerung" ("A linguaxe de memoria"; 2000) besteht aus einer Ansammlung von verbrannt aussehenden Büchern aus Ton, die ungeordnet auf dem Boden liegen und auf mehrere Eisenregale verstreut sind. Das Thema geht auf die Zerstarung der Bibliathek in Sarajevo zurück und denunziert den Akt der Barbarei, der sich gegen die Kultur eines Volkes wendet. Auf vielen Büchern stehen die Namen von Stadten, in denen ahnliche Anschlage stattfanden. Caxigueiro gesellt sich mit dieser Arbeit zu der Ofuppe van Kunstschaffenden, die weltweit gegen diese Akte demanstrieren, die Erinnerung wachhalten wollen und damit parallel zur Geschichte der Zerstarung eine Geschichte erzahlen.
Heute arbeitet Daniel Caxigueiro an anderen Lasungen, bei denen der erzahlerische Inhalt nach wie vor das Werk stützt und deren Umsetzung die groBe Persanlichkeit des Künstlers widerspiegelt. Mit der Zeit, in der er lebt, ist er aufTuchfühlung und er verwendet seine Materialien mit groBer Freiheit. Keramik hat hierweiterhin ein wichtiges Wort mitzureden.
Carmen González Borrás. Keramic Magazin Europa. 2007